Gut, besser, bitter

Das kleine Einmaleins der Bitterstoffe

Was sind Bitterstoffe?

Als Bitterstoffe werden alle chemischen Verbindungen bezeichnet, die einen bitteren Geschmack hervorrufen. Der bittere Geschmack in Pflanzen hat den Zweck, sie vor Schädlingen zu schützen und Fraßfeinde fernzuhalten.

Chemisch betrachtet bilden die Bitterstoffe keine einheitliche Gruppe. Sie finden sich häufig in den drei Stoffgruppen der Glycoside, Isoprenoide und Alkaloide. Bitterstoffe werden anhand ihres Bitterwerts unterschieden. Den höchsten in der Natur vorkommenden Bitterwert hat mit 60.000.000 das Colombin, das in der in Afrika beheimateten Kolombowurzel vorkommt. Absinthin, das im Wermut enthalten ist, hat einen Bitterwert von ca. 3.000.000. Den Bitterstoffen im Löwenzahn wird ein Bitterwert um die 100 zugeordnet.

Werden Bitterstoffe als Arzneimittel genutzt, unterscheidet die Pharmazie vier Hauptgruppen:

Amara tonica (auch Amara pura, Stomachika oder Aperitiva genannt)
Die hier enthaltenen Bitterstoffe regen Verdauungssäfte an und wirken tonisch, also stärkend und belebend auf den gesamten Organismus. Zu dieser Gruppe zählen z.B. der Gelbe Enzian, der Chinarindenbaum oder das Tausendgüldenkraut.

Amara aromatica
Amara aromatica enthalten neben den Bitterstoffen ätherische Öle, die zum Beispiel krampflösend oder entzündungshemmend wirken oder speziell den Gallenfluß fördern. Die Wirkung zielt direkter auf das Verdauungssystem und weniger auf eine allgemeine Stärkung und Belebung. Beispiele für diese Gruppe sind Artischocke, Beifuß, Hopfen, Schafgarbe und Wermut.

Amara acria
Amara acria sind pflanzliche Bitterstoffe, die Scharfstoffe enthalten. Durch das Empfinden von Schmerz durch die Schärfe wird Speichelfluss und Magensaft angeregt. Bestimmte Scharfstoffe wirken zudem stärkend und belebend auf die Darmmuskulatur. Pflanzen dieser Gruppe sind etwa Ingwer, Brunnenkresse, Kapuzinerkresse oder Meerrettich.

Amara mucilaginosa
In dieser Gruppe sind neben den Bitterstoffen Schleimstoffe enthalten, die eine gereizte Schleimhaut beruhigen können. Amara mucilaginosa sind in der Bartflechte oder im Isländisch Moos enthalten.

Bitterstoffe in der modernen Medizin

Derzeit werden insgesamt etwa 250 Pflanzen medizinisch genutzt. Dazu gehören auch bitterstoffhaltige Phytopharmaka, die in Pulver- oder Tropfenform oder als Tinktur verordnet werden, allen voran die bitteren Wirkstoffe der Gelben Enzianwurzel, der Chinarinde, der Pomeranzenschale, des Tausendgülden-, Benedikten- oder Wermutkrauts.

Welche Pflanzen enthalten Bitterstoffe?

Bitterstoffe sind in verschiedenen Wildpflanzen und Kräutern enthalten, aber auch in der Schale mancher Früchte und Gemüse. Bekannte Pflanzen, die Bitterstoffe enthalten sind Artischocke, Engelwurz, Löwenzahn, Enzian, Tausendgüldenkraut, Hopfen, Schafgarbe und Wermut. Weitere Informationen finden Sie in unserem Kräuterlexikon.

Gut, besser, bitter

Warum wir Bitterstoffe so dringend brauchen

Früher war mehr bitter

Essen Sie gerne Grapefruit oder Chicorée? Mögen Sie die interessante bittere Note? Dann haben Sie Glück, denn Sie leben wahrscheinlich gesünder. Die meisten Menschen mit der heutigen Ernährungsweise sind eher auf süß, salzig oder umami (besonders würzig und pikant) getrimmt.

Bitterer Geschmack wird eher als störend emfunden.

Vor gar nicht allzu langer Zeit war das noch anders. Vor 40-50 Jahren waren in viel mehr Obst- und Gemüsesorten Bitterstoffe enthalten. Da sich aber Bitteres nicht gut verkauft und oft als anstrengend und störend empfunden wird, wurde das Bittere nach und nach aus Früchten, Gemüse und Salat weggezüchtet. Wir haben uns unser Essen gefälliger gemacht. Bitterstoffe tolerieren wir allenfalls in Genussmitteln wie Kaffee oder Bier.

Auch die Industrialisierung der Lebensmittelindustrie leistete ihren Beitrag dazu, dass der bittere Geschmack aus unserem Essen zunehmend verschwunden ist. Gezüchtet werden vor allem Gemüse- und Obstsorten, die schnell wachsen und hohe Erträge bringen. Sie bekommen nicht mehr die Zeit zu reifen und Nähr-, Aroma- sowie Bitterstoffe auszubilden. Dabei haben wir die so bitter nötig. Anstattdessen enthalten viele unserer Lebensmittel Konservierungsstoffe, Emulgatoren und Farbstoffe. Die Landwirtschaft verwendet beim Anbau unserer Nahrungsmittel Pestizide, Insektizide und Fungizide. In der Fleischindustrie kommen Antibiotika und Hormone zum Einsatz. Das alles hat Folgen: unsere Verdauung ist überfordert und erschlafft.

Vermutlich trägt sogar die mittlerweile fast vollständige Abwesenheit von Bitterstoffen in unserer heutigen Ernährung massgeblich zu vielen Gesundheitsbeschwerden und Übergewicht bei.

Zuverlässige Helfer bei der Verdauung

Werden Bitterstoffe mit der Nahrung aufgenommen, bringen Sie sofort die Verdauungsprozesse in Gang. Sie beginnen bereits im Mund mit ihrer Arbeit. Durch den bitteren Geschmack werden die Speicheldrüsen gereizt und mehr Speichel produziert. So kann die Mahlzeit schon im Mund vorverdaut und dann vom Magen leichter verarbeitet werden.

Auch im Magen bewirken die Bitterstoffe eine vermehrte Freisetzung von Magensaft und eine erhöhte Durchblutung der Magenschleimhaut. Leber, Galle und Bauchspeicheldrüse werden ebenfalls zur Produktion Ihrer Verdauungssäfte angeregt. So können schwere Gerichte gründlicher und rascher verarbeitet werden als ohne das Zutun der Bitterstoffe.

Zusätzlich wird die Muskeltätigkeit der Verdauungsorgane aktiviert, der ganze Verdauungsapparat kommt in Schwung. Aus der vermehrten Produktion von Verdauungssäften in Magen, Galle und Bauchspeicheldrüse resultiert eine Senkung des ph-Werts, die die Nahrungsausnutzung fördert.

Nur wenn die Verdauung gut funktioniert können Nähr- und Vitalstoffe perfekt absorbiert und jede einzel Zelle des Körpers optimal versorgt werden. Ebenso wichtig ist die vollständige und schnelle Ausleitung nicht benötigter Stoffe.

Schleimlösend und antibakteriell bei Erkältungen

Auf das Bronchialsystem wirken Bitterstoffe auf verschiedene Weise: Sie regen die kleinen Härchen auf den Schleimhäuten der Atemwege zu vermehrter Bewegung an. So werden Bakterien und andere Krankheitserreger von der Zelloberfläche ferngehalten. Zudem wird der Schleim so besser aus dem Körper heraustransportiert. Die Bronchialmuskulatur entspannt sich durch Bitterstoffe, gleichzeitig werden Zellen zur Ausschüttung bestimmnter Abwehrstoffe bewegt und das Immunsystem so in Gang gesetzt.

Stärkung für den gesamten Organismus

Viele Krankheiten haben Ihre Ursache im Magen oder Darm. Dabei müssen wir uns bewusst machen, dass achtzig Prozent unseres körpereigenen Immunsystems auf dem Darm angesiedelt ist. Hier werden Krankheitserreger aller Art bekämpft. Bitterstoffe sorgen durch die verstärkte Sekretion von Verdauungssäften dafür, dass die Oberfläche der Darmschleimhaut befeuchtet wird und so geschmeidig und beweglich bleibt.

Auch das Herz-Kreislauf-System wird durch die bitteren Stoffe angekurbelt. Sie steigern die Durchblutung der Organe und verbessern so deren Funktion. Die Blutgefäße bleiben so flexibel und schützen Sie vor zu hohem Blutdruck.

Bitterstoffe machen eine gute Figur

Fast jeder kennt das: Wir essen zu viel, zu fett und zu viel Süßes. Modern gefertigte Lebensmittel verführen uns zum immer Weiteressen und wir werden zu dick. Die Pfunde klettern kontinuierlich nach oben, wir fühlen uns unwohl und werden im schlimmsten Fall krank. Wir machen Diäten, nehmen vorübergehend ab. Weil wir unsere Ernährungsweise aber nicht grundlegend ändern, nehmen wir auch wieder zu und alles geht von vorne los.

Bitterstoffe in der Ernährung können helfen, aus diesem Teufelskreis auszuzbrechen. Sie zügeln ganz natürlich unseren Appetit und wir hören zu essen auf, wenn es genug ist. Auch der Heißhunger auf Süßes verliert sich bei ausreichend Bitterstoffen in der Nahrung. Die bitteren Bestandteile in unserer Nahrung bringen derart den Stoffwechsel in Gang dass auch die Fettverbrennung auf Hochtouren läuft.

Bösartigen Tumorerkrankungen vorbeugen

Es gibt einige Studien, die darauf hinweisen, dass Bitterstoffe Krebs vorbeugen. Besonders Darmkrebs entsteht möglicherweise in einer gesunden Darmflora weniger oft.